Bell-ChambersJournalistische Arbeiten von Bianca Bell-ChambersSchreib' doch mal ein Buch!Danke an GENEU!!! Journalismus9/11
9/11


Wikipedie: Jeff Mock


Dreimal New York und doch nicht


Schon wieder ist er da - der 11.09. oder auch einfach 9/11 genannt. 911 ist die Notrufnummer in den USA. Jeder hat so seine eigenen Erinnerungen zu diesem schicksalhaften Tag des Jahres 2001, die wohl immer im Gedächtnis bleiben werden. Meine sind diese:

Es gab gleich drei Gründe, warum ich mich während der Terroranschläge in New York City hätte aufhalten sollen, aber es kam anders. Einer der Gründe war, dass ich noch im März 2001 vom Nordturm des World Trade Centers eine Hochzeit filmte. Später las ich, die Terroranschläge seien wohl ursprünglich für den März geplant, aber aus organisatorischen Gründen verschoben worden.

Es war irgendwann im Winter 2000/2001, als ich unserem CFO aus Connecticut, USA beim Geschäftsessen mitteilte, dass ich mich konzernintern nach einer anderen Stelle umsehen werde. „Mark, ich habe keine Lust mehr auf Finance, Monats- und Jahresabschlüsse, Wirtschaftsprüfer und Deadlines. Ich möchte mal wieder etwas kreatives machen.“ Mark wusste, dass ich gern in New York war und fragte, ob ich auch bereit sei, ins Ausland zu gehen. Natürlich war ich das!

„Hmmm, ich könnte mir Dich sehr gut als Nachrichtensprecherin vorstellen...“ sagte Mark. „Was hältst Du von der Medienbranche?“ Sofort erwiderte ich: „Oh, das wäre toll!“ „Ok. Ich kenne den obersten Chef von NBC sehr gut.“ holte Marc aus. „Ich besorge Dir ein persönliches Interview mit ihm. Den Rest musst Du selbst schaffen.“ Wer General Electric kennt weiß, dass solche Empfehlungen nur ausgesprochen werden, wenn diese auch eine realistische Aussicht auf Erfolg haben. Das wäre quasi meine Eintrittskarte bei NBC in Manhattan gewesen...

Einer inneren Eingebung folgend sagte ich wie aus der Pistole geschossen und ohne überhaupt nachgedacht zu haben: „Nein danke. Lass mal!“ Langsam war ich wieder fähig, einen klaren Gedanken zu fassen: „WAS HAST DU DA GESAGT?“ schoss es mir durch den Kopf und ebenso sah Marks Blick aus. Peinlich berührt blickte ich zu Boden. „ÄNDERE DAS - SOFORT!“ sagte ich mir innerlich. Es ging einfach nicht. Bis heute weiß ich nicht, warum. Ich weiß nur, dass ich am 11.09.2001 in NYC - vermutlich als Nachrichtensprecherin - gewesen wäre, wenn ich meine Chance genutzt und diesen Traum, hätte wahr werden lassen.

So kam es anders. Im Mai 2001 fing ich bei einem anderen Geschäftsbereich innerhalb des Konzerns in Ratingen an. RATINGEN - das wäre der letzte Ort auf meiner Wunschliste gewesen. Angebote hatte ich konzernintern einige, warum also ausgerechnet DORT? Während des Gesprächs mit dem Geschäftsführer und dem global CFO in Ratingen stellte ich meine Forderungen: fast 100 % Gehaltszuwachs, Firmenfahrzeug der gehobenen Mittelklasse zur völlig freien Nutzung, Stock Options, doppelter Wohnsitz (natürlich von der Firma bezahlt), Übernahme der Umzugskosten usw. Ach ja und meine Dozententätigkeit in Schleswig-Holstein wollte ich nebenberuflich fortsetzen. Ich wollte diesen Job schlicht nicht!

Völlig lapidar warf ich während des Gesprächs ein: „Zeigen Sie mir doch bitte die Geschäftsabschlüsse der letzten drei Jahre.“ Danach hatte noch niemand im Vorstellungsgespräch gefragt, aber man folgte meinem Wunsch. An Ort und Stelle blätterte ich sie durch und wies auf die zahlreichen Schwachstellen. „Jetzt weiß ich, warum sie eine kaufmännische Geschäftsleitung für Deutschland brauchen.“ Mir war alles egal. Nach Düsseldorf wollte ich nicht. Die Firma hatte den Flug bezahlt und mir war es eine Erfahrung wert. Ein paar Tage später erhielt ich den Anruf: „Sie haben den Job, mit allen ihren Forderungen.“ Also ging es auf nach Ratingen statt nach New York.

Dann kam es wohl wie es kommen sollte: Ich lernte meinen Mann im neuen Unternehmen kennen. Niemand sollte vorerst von unserer Verbindung wissen. Dazu war ich zu sehr Profi. Job und Privatleben sollten getrennt bleiben. Als wir zu einer Due Diligence nach Freiburg fuhren äußerte ein Kollege im Auto: „Ich würde es sofort merken, wenn es bei uns irgendwelche Techtelmechtel gäbe.“  Wie gut, dass ich hinten in der Ecke saß und niemand mein Grinsen sah. Wir schafften es tatsächlich, unserer Beziehung geheim zu halten - bis zu dem Zeitpunkt, als ich meinen Chef in England anrief: „Martin, ich habe ein paar Dinge mit Dir zu besprechen. Ich komme nach Cambridge.“ Mit allem habe ich gerechnet, nicht aber da mit: Martin fiel mir freudestrahlend und gratulierend um den Hals als ich ihm mitteilte, dass ich meinen Hauptwohnsitz ins Rheinland verlagere, weil ich mit jemandem aus der Firma zusammen ziehe, ihn heiraten und ein Kind mit ihm bekommen werde.

Davor aber kam noch der 11. September. Michels und mein erster gemeinsamer Urlaub rückte an. Wo sollte es hin gehen? Na klar, nach New York. Ich war ein paar Male dort bei NBC und wollte ihm zeigen, wo ich fast gelandet wäre. Es stand fest, wir fliegen Anfang September 2001 nach NYC. NBC gehörte zu diesem Zeitpunkt noch zum GE Konzern und es gab dort einige Mitarbeiterprivilegien. Meinem sehr zeitintensiven Job war es zu verdanken, dass ich noch keine Tickets gebucht hatte und so kam mein Zukünftiger auf die Idee: „Lass uns doch an unserem ersten, gemeinsamen Urlaub irgendwo hinfliegen, wo wir beide noch nicht waren.“ Das klang logisch. Also flogen wir nach Rom. Am 11. September standen wir Nachmittags in einem Brillenladen in Italien als wir die die Nachricht hörten: Ein Flugzeug flog in den Nordturm des World Trade Centers. „Da stimmt etwas nicht.“ sagte ich zu Michel „Über Manhattan fliegen keinen Flugzeuge.“ Dann das zweite in den Südturm... Ein guter Freund eines Bekannten, den ich noch im März in Manhattan traf, kam im WTC ums Leben. In einem der Flugzeuge saß eine Mitarbeiterin von GE. Den weiteren Verlauf kennt jeder.

Ich bin froh, dass eine Eingebung mich vor diesem katastrophalen Erlebnis bewahrt hat. Ein Jahr und einen Tag nach 9/11 wurde unsere Tochter geboren.

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