Bell-ChambersJournalistische Arbeiten von Bianca Bell-ChambersSchreib' doch mal ein Buch!Danke an GENEU!!! Journalismus9/11
Danke an GE

 

 

Die Jahre im Konzern bei Euch waren spannend, ereignisreich und anstrengend, aber ich möchte sie keinesfalls missen. In dieser Zeit habe ich vieles über zwischenmenschliche Beziehungen erfahren, wie Leute reagieren, wenn sie unter extremen Druck stehen, Existenzängste haben, zwischen die Fronten geraten oder auch wenn sie befördert werden oder die lang ersehnte Anerkennung bekommen, die sie verdienten. Hinzu kommen die zahlreichen fachlichen Aspekte, wie man zum Beispiel Klopapier nach US-GAAP bilanztechnisch aktiviert und über die „Laufzeit“ abschreibt, steuerrechtliche Lücken ausschöpft, ganze Werke ins Ausland verlagert, indischen Programmierern, die nicht der englischen Sprache mächtig sind deutsche Rechnungslegungsvorschriften erklärt und vieles, vieles mehr.


Vielen Dank auch noch an meinen alten Steuer-Prof. Dr. Thomas H. von dem ich sehr viel lernen durfte. Die – zugegebenermaßen im Nachherein doch sehr interessante - Hausarbeit „Familienstiftungen im Außensteuerrecht“ nach Nichterhebung der Vermögenssteuer wegen Verfassungswidrigkeit und daraus resultierenden Neuerungen im Bewertungsrecht, für die es damals keinerlei Literatur oder Kommentare gab, habe ich Ihnen mittlerweile verziehen. ;-)


Was waren das für Zeiten: Eine durchschnittlich 80-Stunden-Woche auf Dauer, nächtliche Telefonkonferenzen bei der Arbeit in globalen Teams, regelmäßige, internationale Dienstreisen oder gleichzeitige Telefonkonferenzen (wofür gibt es schließlich mehrere Telefone?) und dabei zeitgleich etliche Leute im Büro, die sich Genehmigungen und Unterschriften für komplizierte Verträge und Ähnliches holen wollten, waren ebenso üblich, wie mehrere hundert fachbezogene Emails am Tag, die es zu beantworten galt oder auch mitten in der Nacht aufzustehen, um zu einer Niederlassung mehrere hundert Kilometer entfernt zu fahren, dort zwölf Stunden zu arbeiten und danach wieder nach Hause zu fahren. Da war ein Arbeitstag schon mal 20 Stunden lang.


In der Nacht viel ich dann nur kurz ins Bett, um am nächsten Tag wieder pünktlich auf der Matte zu stehen. Dann gab es den ewigen Zeitdruck: Wöchentliches und monatliches Reporting, welches aus Konsolidierungsgründen unbedingt pünktlich abgegeben werden musste. Wirtschaftsprüfer und interne Prüfer, die einem im Nacken lagen, Due Diligences, Firmenübernahmen und –integrationen, Termine mit Finanzbehörden, Anwälten etc.


Dann gab es „nebenbei“ die vielen Millionenprojekte, die nicht nur nicht „versemmelt“ werden durften, sondern von denen auch ein erhebliches Optimierungspotential erwartet wurde. Hinzu kam das Alltagsgeschäft: Projekte, Aufträge, Bestellungen, Zahlungen und Weiteres durchzusehen und zu genehmigen, diverse Abteilungen zu leiten, Mitarbeiter zu führen, externe Verhandlungen durchzuführen und Vorstände, Geschäftsführer und Manager zu beraten.


In dieser Zeit kam es öfter vor, dass ich mal bis zu einer Woche gar nichts gegessen habe, weil die Zeit es nicht zu lies bzw. wenn sie es zu lies, ich wieder über den Punkt hinaus war, um Hunger zu verspüren. Da es „nebenbei“ auch immer einige Stunden täglich Meetings gab, viel mir häufig erst bei extremen Magenknurren während der Veranstaltungen auf, dass ich mal wieder tagelang nichts gegessen habe. Das Leben bestand über Jahre überwiegend aus Arbeiten und Schlafen. Für die Pflege von Freundschaften außerhalb der Arbeit blieb kaum Zeit. Das Arbeiten an Feiertagen, Urlauben, Wochenenden usw. war Alltag.


Glücklicherweise liebe ich es zu arbeiten und zu lernen und empfinde Arbeit und Lernen – sofern es unter konstruktiven Bedingungen statt findet – eher als Hobby. Dabei war es mir wichtig, meine Aufgaben mit den vorhandenen Ressourcen so umzuorganisieren und effizienter zu gestalten, dass meine Arbeitskraft in dem jeweiligen Team überflüssig wurde. „Ich mache nur dann einen guten Job, wenn ich mich selbst weg rationalisiere.“ bekamen Kollegen öfter zu hören. „Wieso machst Du das? Du gefährdest Deinen eigenen Arbeitsplatz.“ wurde mir dann meist gesagt. „Im Gegenteil,“ erwiderte ich „wenn ich die Abteilungen und Prozesse produktiver und erfolgreicher mache und weniger koste als ich einspare, dann bekomme ich einen neuen Job danach.“ So war es auch.


Die besondere Herausforderung dabei lag allerdings darin, niemanden dabei entlassen zu müssen, sondern mit den vorhandenen Mitarbeitern das höchstmögliche Potential auszuschöpfen. Dabei war die Unterstützung der Mitarbeiter unerlässlich. So galt es gemeinsam herauszufinden, was sie glücklich machen würde und entsprechende Maßnahmen umzusetzen, die ihnen ein zufriedeneres und erfüllenderes Arbeitsumfeld schaffen würden. Die richtige Nutzung von individuellen Kompetenzen im Zusammenhang mit erhöhter Zufriedenheit führte zwangsläufig zu mehr Produktivität.


Wahrer Erfolg kann nur von innen kommen. Ich war nie ein Freund des Shareholder Value. Bei Neueinstellungen gab es eher höher angesiedelte Gehälter. Überdurchschnittliche Erwartungen an die Leistung haben ebensolche Bezahlung verdient. Unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise lässt sich das anhand von Zahlen argumentieren: Ein guter Mitarbeiter hilft, dem Unternehmen durch die Übernahme entsprechender Projekte Geld einzusparen oder zusätzliche Einnahmen zu generieren. Das rechnet sich schnell.


Ich bin sehr dankbar für die vielen Erfahrungen, die ich während dieser Jahre sammeln durfte und die vielen netten Menschen, die ich kennen gelernt habe. An welchem Flughafen ich auch war – fast immer traf ich dort Kollegen. Jeden Monat konnte ich tausende von Euros sparen. Zum Geldausgeben blieb keine Zeit. Diese Reserve war später beim Hausbau sehr hilfreich. Vielen Dank dafür GE und vielen Dank, dass ich später im globalen Team meinen Arbeitsort ins Homeoffice verlegen durfte und dass ich meinen gehobenen Mittelklassewagen zum Nulltarif behalten durfte, als ich ihn beruflich gar nicht mehr brauchte und die Stock-Options, die ich als zusätzlichen Bonus bekam!


Dankbar bin ich auch für die sämtlichen Freiheiten, die mir mein Ex-Arbeitgeber gelassen hat und die Anerkennung, die ich für meine Arbeit bekam. Aus guten persönlichen Gründen entschied ich mich vor ein paar Jahren, den Konzern zu verlassen. Bereut habe ich es nie, aber gern denke ich an die Zeit zurück und freue mich über die vielen netten Kontakte, die über all die Jahre geblieben sind. Was habe ich alles getan, um mich die letzten Jahre „unsichtbar“ zu machen. Ihr habt nicht locker gelassen, immer wieder geschrieben, mich angerufen, nach mir gefragt und jetzt bin ich wieder da! Wir holen die versäumten Treffen nach, versprochen!

 

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